Sonntag, 26. Juni 2011

Gastrezension bei bibliophilin - Ein alter Herr



Das Einzelschicksal des alten Herren

Der alte Herr ist Universitätsdozent im Ruhestand. Der alte Herr kommt mit der Welt, wie sie ist, nicht mehr so gut zurecht. Früher war alles besser, freundlicher, leichter. Die Wissenschaft hat ihn weltfremd werden lassen. Bücher helfen ihm nicht weiter, das muss er im Alter einsehen. Der alte Herr bleibt immer irgendwie anonym, obgleich der Leser an allen seinen innersten Gedanken – und vor allem an seinem Abscheu – teilhat; der alte Herr wird über die Stimme seines Leibarztes laut; der alte Herr hat Demenz. Und das Erschreckende daran ist, dass der Leser das gar nicht so schnell mitbekommt, sondern den alten Herrn – wie seine Umwelt – für etwas schrullig hält. Gerade das macht den Roman von Gerhard Köpf so lesenswert: Es ist die Art, wie er nicht noch einen Roman über eine schreckliche Krankheit geschrieben hat.

Köpf zeigt dem Leser eindringlich, wie ignorant er eigentlich in der Welt ist – und dass Demenz jeden treffen kann, auch einfache, alte Herren von nebenan – oder den Leser selbst. Obwohl das Buch sehr dicht ist, lässt sich darüber nicht viel sagen; es ist nicht einfach zu lesen, denn der Leser könnte dazu tendieren, das Buch einfach NUR zu lesen, dabei erzählt es von einem erschütternden Einzelschicksal – aber gerade das macht es dennoch zu einem besonderen Roman.

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Wie immer: Ich bin sehr dankbar, dass ich diese Gastrezensionen bei Dir schreiben und veröffentlichen darf, liebe Dorota!

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