Dienstag, 28. April 2015

Das Bitterkorn Liebe

100_9751Ein namenloser Mann und eine namenlose Frau haben ein blind date. Eigentlich will die Frau den Mann danach nicht mit in die Wohnung nehmen, aber dann läuft den beiden ein Hündchen zu, das alles in Bewegung setzt. Der Mann und die Frau kommen zusammen und beschließen, den Hund zu behalten. 
Das ist die Grundstory in Yael Hedayas Roman "Liebe pur" - nichts Besonderes, eigentlich. Wenn auch beide Protagonisten namenlos bleiben. Der Hund immerhin wird irgendwann "Anonymus" getauft.  Der Leser erlebt alles mit: Das Aufblühen der Liebe, den Alltag der Beziehung und wie sie letztlich zerbricht. Und das zum Teil auch aus der Sicht des Hundes. Das ist neu und macht die Geschichte so unfassbar traurig. An sich ist die Geschichte keineswegs traurig: Das Paar verliert seine Liebe im Alltag, weil beide nicht daran gearbeitet haben, weil sie beide irgendwie doch eher Einzelgänger sind. Leidtragender ist der Hund, der irgendwie ihr gemeinsames Kind ist, mit dem sie beide nichts Rechtes anzufangen wissen. Daher landet er nicht nur zuerst (wieder) vor der Wohnung als eine Art Wachhund (damit kann er sich arrangieren), aber letztlich wird er aggressiv und auffällig und wird von Hundefängern vor der Wohnung entfernt.
Yael Hedaya schafft es immer wieder aus Alltagssituationen das Unbehagliche heraus zu holen. Daher bleibt nach der Lektüre immer ein kleines Bitterkorn übrig, das man mit sich durch den eigenen Alltag trägt. 

Yael Hedaya
Liebe pur, Diogenes Verlag

ISBN978-3-257-23307-0

Montag, 27. April 2015

Auslosung Blogger schenken Lesefreude

100_9756Heute morgen hat sich die Glücksfee an die Arbeit gemacht und ausgelost. Aus einem Haufen Zettel hat sie eine glückliche Gewinnerin ausgelost. 100_9758
Liebe Anja Rottner, Du hast gewonnen! Herzlichen Glückwunsch. Eine Mail an Dich ist so eben raus, schick mir bitte Deine Adresse, damit sich das Hörbuch auch auf den Weg machen kann. Viel Spaß damit.
100_9757Alle anderen müssen nicht traurig sein. Hier gibt es immer mal wieder ein Gewinnspiel, unabhängig von der wunderbaren Verschenkaktion #BloggerschenkenLesefreude zum Welttag des Buches. 
Wenn ihr schnell und aktuell informiert sein wollt, dann schenkt doch meiner Facebookseite ein Like: https://www.facebook.com/pages/Marissa-Conrady/154763577877910

Sonntag, 26. April 2015

Von den vielen (Lebens-)Schulden

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Premieren muss man feiern - vor allem, wenn es gelungene Premieren sind. Daher haben wir nach dem Besuch der Premiere des Stückes "Betty" im Schauspielhaus des Nationaltheaters Mannheim unsere Gläser erhoben. 
Leider im nicht ganz ausverkauften Haus, fand am 25. April 2015 die Erstaufführung statt. Und das Stück hätte wirklich volles Haus verdient.  Schließlich ist es ein aktuelles Stück, voller Brisanz, aber ebenso voller alter Konflikte des menschlichen Daseins. Nicht nur von den vielen (Lebens-)Schulden erzählt das Off-Broadway-Stück "Betty (DSE)" von Laura Marks. Nach der Finanzkrise in den USA 2007 stehen allerorts Häuser leer - bewohnbare Häuser. Die alleinerziehende Crystal (vom naiven, alleinerziehenden Blondchen bis hin zur kalkulierenden, thoughen Frau alles dabei: Sabine Fürst) hat während eben dieser Krise auch ihr Heim verloren (und nicht nur das!), also versucht sie sich, eines dieser Häuser zu Nutze zu machen. Den selben Gedanken jedoch hatte jedoch auch schon Gary (zottelig und bisweilen nahe am Wahnsinn: Thorsten Danner). Ein seltsamer Kauz, fast könnte man glauben, kriegsgeschädigt. 
So treffen die beiden eher zufällig als Hausbesetzer auf einander. Gary mit dem Traum von Ausstieg aus der Zivilisation, die er für sein Leid verantwortlich macht, Crystal mit dem Traum von Betty, ihrer 5-jährigen Tochter, die zur Zeit in einer Pflegefamilie lebt. Durch die Finanzkrise obdachlos geworden, hat sie letztlich auch noch durch eine unglückliche Fügung ihr Kind verloren. Mit einem neuen Zuhause allerdings, kann sie die Dame von der Fürsorge, Toni (resolut wie der personifizierte Amtsschimmel: Almut Henkel) vielleicht umstimmen. Und Gary wird ihr dabei helfen. Vielleicht aber auch der dubiose Charlie, der sein Geld seit Ausbruch der Krise mit "Lebensberatung" verdient (oder als Ehemann von Patricia (irgendwie zerbrechlich: Ragna Pitoll). Charlie, die hoffnungsvollste und doch hoffnungsloseste Figur des ganzen Stückes, und einmal mehr mein Favorit - und daher auch kaum verwunderlich, dass er von Klaus Rodewald dargestellt wird (nach wie vor und nun noch mehr, mein Lieblingsdarsteller); wunderbar halbseiden, ein Schmierlappen, ein Schürzenjäger und doch der Einzige, dessen Hoffnung realistisch erscheint. 
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Von Charlie hängt für Crystal viel ab: Kauft er ihr im bald schließenden Autohaus einen Wagen ab, kann sie mit der Provision noch mehr dazu beitragen, ihre Tochter wieder bei sich zu haben. Von ihm hat sie sich ebenso abhängig gemacht, wie von Gary. Und muss daher bis ans Äußerste gehen am Ende...
Laura Marks hat in ihrem aktuellen, zeitnahen Stück, nicht nur eben diese Probleme aufgegriffen, sondern mir auch wieder einmal klar gemacht, welche Rolle ich als Frau in der Gesellschaft habe. Alleine meine Existenz birgt eine Lebensschuld. Die kann ich nur tilgen, indem ich geschlechtslose Mutter bin, anrüchige Hure, manipulierendes Miststück oder höriges Etwas. Ich als Individuum werden von den Anderen, die in der Regel Männer sind oder Frauen mit männlichen Attributen [wie Crystals Chefin Shannon (Dascha Trautwein) in Autohaus], in dieser Welt hin und her gestoßen - wenn sie nicht aufbegehren und sich wehren. Dann könnte am Ende alles gut werden. Könnte... 
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http://www.die-erinnerungsguerilla.org/
Wann also mein Herz singt? Neuerdings sehr oft beim Besuch im Nationaltheater. So auch bei dieser Premiere. Wer also mal keinen Klassiker sehen will (wobei ich noch immer dringend zum Besuch der Wideraufnahme des "Zerbrochnen Krug"s rate!), der ist mit diesem Stück sehr gut dran. 

Donnerstag, 23. April 2015

Blogger schenken Lesefreude - VERLOSUNG!

BslHerzlichen Glückwunsch, Ihr Lieben! Heute, am 23. April 2015 ist Welttag des Buches. Was wären wir ohne Bücher? Dafür hat Christa Wolf eine wunderbare Antwort:
Tabula rasa (Auszug)
Leisten wir uns ein Gedankenexperiment. Eine Kraft, nicht näher zu bezeichnen, 480 lösche durch Zauberschlag jede Spur aus, die sich durch Lesen von Prosabüchern in meinen Kopf eingegraben hat. Was würde mir fehlen? Die Antwort ist nicht nur mörderisch; sie ist 485 auch unmöglich. Wenn sie einer geben könnte, wüsste man Genaueres über die Wirkung von Literatur. Beginne ich in mir abzutöten: das makellose, unschuldig leidende Schneewittchen 490 und die böse Stiefmutter, die am Ende in den glühenden Pantoffeln tanzt, so vernichte ich ein Ur-Muster, die lebenswichtige Grundüberzeugung vom unvermeidlichen Sieg des Guten über das Böse. Ich kenne 495 auch keine Sagen, habe mir nie gewünscht, an der Seite des hürnenen Siegfried dem Drachen gegenüberzutreten; niemals bin ich vor einem Rauschen im finsteren Wald erschrocken: Rübezahl! Die Tierfabeln habe 500 ich nie gelesen, ich verstehe nicht, was das heißen soll: „listig wie ein Fuchs“, „mutig wie ein Löwe“. Eulenspiegel kenne ich nicht, habe nicht gelacht über die Listen der Schwachen, mit denen sie die Mächtigen 505 besiegen. [...] Arm, ausgeplündert, entblößt und ungefeit trete ich in mein zehntes Jahr. Berennende Tränen sind ungeweint geblieben; der Hexe im Märchenbuch wurden nicht die Augen 510 ausgekratzt; die jubelnde Erleichterung über die Rettung eines Helden habe ich nicht kennen gelernt; nie bin ich zu den phantastischen Träumen angeregt worden, die ich mir im Dunkeln erzähle. Ich weiß nicht, dass 515 Völker verschieden sind und doch einander ähnlich. Meine Moral ist nicht entwickelt, ich leide an geistiger Auszehrung, meine Phantasie ist verkümmert. Vergleichen, urteilen fällt mir schwer. Schön und hässlich, 520 gut und böse sind schwankende, unsichrere Begriffe. Es steht schlecht um mich. [...] Tabula rasa. Ich bin am Ende. Mit den Wurzeln ausgerissen, ausgelöscht in mir eines der großen Abenteuer, die wir haben kön- 525 nen: vergleichend, prüfend, sich abgrenzend allmählich sich selbst sehen lernen. [...] Die Verwilderung wird zunehmen. Denn nun muss man weitergehen. Die feineren, schwer beweisbaren Wirkungen gilt es 530 auszutilgen, die dauernder Umgang mit Bü- chern hervorbringt: die Übung und Differenzierung des psychischen Apparats; Schärfung der Sinne; Erweckung der Beobachtungslust, der Fähigkeit, Komik und Tragik 535 von Situationen zu sehen; Heiterkeit aus Vergleich mit Vergangenem zu ziehen; das Heroische als Ausnahme zu würdigen, die es darstellt; und das Gewöhnliche, das sich immer wiederholt, gelassen zur Kenntnis zu 540 nehmen und womöglich zu lieben. Vor allem aber: zu staunen; unaufhörlich zu staunen über seinesgleichen und sich selbst. Aber ich habe nicht gelesen. Nicht nur meine Vergangenheit ist mit 545 einem Schlag geändert: meine Gegenwart ist dieselbe nicht mehr. Nun bleibt nur das Letzte zu tun: auch die Zukunft zu opfern. Ich werde niemals ein Buch lesen. Der Schrecken, der in diesem Satz 550 steckt, berührt mich, den Nichtleser, nicht. Denn ich, ohne Bücher, bin nicht ich.
Und auch ich bin ohne Bücher nicht denkbar.
100_9713Daher schenke ich einem lieben Menschen, der hier bis einschließlich 26. April 2015 Mitternacht einen Kommentar hinterlässt, bei facebook kommentiert oder eine E-Mail schreibt an mich, das HÖRBUCH "Bella Clara" von Petra Durst-Benning.
Einzige Bedingung zur Teilnahme ist, dass ihr mir eine Möglichkeit gebt, mit Euch Kontakt aufnehmen zu können. Wenn ihr mir dann noch erzählt, was Euch an Büchern fasziniert, wie Euer Leben mit Büchern aussieht oder mir etwas zu meinen Romanen hinterlasst, freue ich mich umso mehr! :) (Ebenso über Likes für meine Facebookseite...)
Feiert den Welttag des Buches schön! 
http://www.hoerbuch-hamburg.de/katalog/hh/detail/durst-benning-bella-clara-3008/
Ein Roman für alle Sinne von Bestsellerautorin Petra Durst-Benning
1906: Clara Gropius kann die Herrschsucht ihres Mannes nicht mehr ertragen und lässt sich scheiden. Sie verliert alles, auch das Sorgerecht für ihre Kinder. Mittellos versucht sie, an ihre Ausbildung in der Apotheke ihrer Eltern anzuknüpfen. Doch als geschiedene Frau will niemand sie einstellen, alle behandeln sie wie eine Ausgestoßene. Clara hält trotz aller Widerstände
an ihren Träumen fest, zieht an den Bodensee und baut dort ein eigenes Unternehmen für Naturkosmetik auf. Aber ihr beruflicher Erfolg und die Aufmerksamkeit der Männer können sie nicht über die Sehnsucht nach ihren Kindern hinwegtrösten.
6 CDs, 450 Minuten Laufzeit
ISBN 978-3-89903-924-5

Dienstag, 21. April 2015

Der ganz normale (Schul-)Wahnsinn

Schulsekretariat, Montagmorgen, 8:03 Uhr
›Ich glaube, ich bin krank‹ 
›Warum glaubst du das?‹ 
›Die Mama hat's gesagt.‹
›Und warum bist du dann hier?‹ 
›Ich soll erstmal warten, ob es schlimmer wird‹, antwortet Pietro aus der 2c und kratzt sich verlegen am Kopf.
›Was genau hast du denn?‹ 
›Kann ich nicht so laut sagen.‹ 
Niedlich. Ich streiche dem Kleinen über den Schopf und beuge mich zu ihm runter: ›Komm, du kannst es mir auch ins Ohr flüstern. Ich sag's auch niemandem, außer dem Doktor vielleicht.‹
Pietro fasst sich ein Herz. Er kommt ganz nah an mein Ohr. ›Läuse, Frau Steinbeck. Vielleicht habe ich Läuse. Ist das schlimm?‹, haucht er.

100_9741Die Rückseite des Sachbuchs "Kann ich Pflaster für mein Handy, Frau Steinbeck - Als Schulsekretärin pausenlos im Einsatz" von der ominösen "Frau Steinbeck" (die im Übrigen im ganzen Buch anonym bleiben wird), lässt mich schon einmal neugierig schmunzeln. An einer Schule waren wir schließlich alle einmal. Und die Sekretärin(nen) dort, kenne wir auch alle noch. [An dieser Stelle ganz liebe Grüße an die Sekretärinnen des ÜWGs!].
Désirée Steinbeck hat den Job gewechselt. Durch eine Freundin ist sie die Schwangerschaftsvertretung im Sekretariat der Geschwister Scholl-Schule geworden. Eine Multi-Kulti-Schule an einem Ort, der nicht genannt wird. Ebenso anonym bleibt besagte Frau Steinbeck. Sie lässt den Leser zwar an einigen (zu) privaten Details und Gedanken teilhaben, wird selbst aber nicht greifbar. Ein wenig unsympathisch bleibt sie, leider, in ihrer Art vom Schulalltag im Sekretariat zu erzählen. Als hielte sie sich für die Schönste, Schlauste und ein wenig für den Nabel der Welt, aber dies nur am Rande. Es stört nur, wenn man zu viele Kapitel in einem Rutsch liest. 
Die Geschichten, die da erzählt werden, kommen jedem, der einmal längere Zeit eine Schule besucht hat, durchaus bekannt vor. Kleine und große Dramen von Heranwachsenden und Erwachsenen, die nie aus der Schule heraus gekommen sind [sprich: Lehrer]. Einige davon ähneln stark dem eigenen Lehrkörper von damals, um andere wäre man froh gewesen. Die Anekdoten sind mal erschreckend, mal traurig, mal frivol, nicht so oft brüllend komisch, aber zum Schmunzeln reichen sie durchaus. Ich hätte mir ein bisschen mehr Spaß und Gelächter gewünscht, aber auch hier gilt, wie im Schulalltag: Das Leben ist kein Wunschkonzert. 

Kann ich Pflaster für mein Handy, Frau Steinbeck

Als Schulsekretärin pausenlos im Einsatz, S. Fischer Verlag

Frau Steinbeck
ISBN: 978-3-596-03265-5

Freitag, 10. April 2015

Das Puppenhaus als Spiegel des Lebens

Ich habe mein Puppenhaus geliebt! Es hatte auf der einen Seite eine große Küche, ein Wohnzimmer und ein Kinderzimmer, auf der Rückseite den Eingangsbereich, ein weiteres Zimmer und einen Balkon. Meine Mutter hatte es mit selbstgemachten Kissen, Decken, Tischdecken, ja sogar Topflappen ausgestattet. Irgendwann gab es für meine Figürchen sogar Licht.
Foto des Original-Puppenhauses aus dem 16. Jahrhundert ©Rijksmuseum, Amsterdam Quelle: http://www.randomhouse.de/Interview_mit_Jessie_Burton_zu_Die_Magie_der_kleinen_Dinge/aid58702.rhd?mid=12084
Aber ein so prächtiges Puppenhaus wie Petronella Oortmans 1686 in den Niederlanden habe ich nicht besessen. Und vor allem waren meine Gegenstände darin weder magisch, noch konnten sie die Zukunft voraussehen. In "Die Magie der kleinen Dinge" erzählt Jessie Burton davon. 
100_9723Und es ist ein fesselnder Roman geworden, der den Leser mitnimmt in eine Zeit Europas, in der zwar die Städte und der Handel florierten, aber das Menschliche zu wünschen übrig ließ. In dieser Zeit wird die gerade 18-jährige "Nella" mit dem deutlich älteren Kaufmann Johanens Brandt verheiratet. Vom Land kommt sie in die Stadt und muss sich dort mit einer kalten und bissigen Schwägerin herumärgern. Wo eigentlich Nella die Hausherrin sein sollte, regiert Schwägerin Marin. Von der Ehe hat Nella zwar Vorstellungen, aber wie die ihrige verläuft kommt ihr seltsam vor. Denn Johannes verhält sich ihr gegenüber eher wie ein Freund, als ein Ehemann. Dann jedoch schenkt er Nella ein sündhaft-teures Puppenhaus. Sie beauftragt eine mysteriöse Miniaturistin mit der Ausstattung - doch was dann geschieht, damit hat Nella nicht gerechnet. Die zum Teil unverlangt an sie geschickten Möbel und Kleinteile zeigen Nella eine alles andere als rosige Zukunft an. 
100_9725Der Roman hat mich einmal wieder eine Nacht gekostet, aber ich musste doch unbedingt wissen, was das Schicksal für Nella und die Ihrigen bereithielt (das, was die Miniaturistin bereits wusste!). Ein spannendes, ergreifendes Buch, dessen Thematik zwar nicht neu ist, aber wunderbar verpackt. Ich würde gerne noch mehr von der Miniaturistin lesen!

JESSIE BURTON

Die Magie der kleinen Dinge, Limes Verlag

ISBN: 978-3-8090-2647-1
http://www.randomhouse.de/Buch/Die-Magie-der-kleinen-Dinge-Roman/Jessie-Burton/e446805.rhd

Dienstag, 7. April 2015

Quiek, sie sind wieder da!

Zum Quieken, sie sind endlich wieder da, die wunderbare Erdmännchen-Sippe um Schnüffler Ray und Privatdetektiv Phil. Juhu! Ich habe so lange gewartet.
In ihrem vierten Fall wird es persönlich und sehr privat. Im Erdmännchen-Clan hängt der Haussegen schief: Roxanne will die Scheidung von "Aufzuchtsvernachlässiger" Rocky. Da das aber bei den Erdmännchen im Berliner Zoo nicht in Frage kommt, findet Schlaumeier Rufus einen anderen Weg (und dieser wird noch für Komplikationen sorgen!).
Derweil glaubt sich Ray in der Midlife-Crisis. Elsa, seine Liebste, ist nicht mehr im Zoo und einen Fall hat er auch schon länger nicht mehr gelöst. Dann aber braucht er plötzlich "Dickes Fell", denn Partner Phil bricht angeschossen vor dem Erdmännchengehe zusammen und liegt im Koma. Da muss Ray mit Bruder Rufus ganz alleine ran und heraus finden, wer Phil an den Kragen will. Dabei schnüffeln die beiden in Phils Vergangenheit rum und machen eine erstaunliche Entdeckung. Wer aber auch wissen will, wie ein Gorilla auf die "Gold Else" kommt (und vor allem: warum!), der sollte sich den neun Roman von Moritz Matthies auf keinen Fall entgehen lassen.
Band vier war für meinen Geschmack der beste von allen und daher noch schneller ausgelesen, als die Vorgänger. Zum Glück war im Buch schon eine Leseprobe zu finden, die mir den Mund für den neuen Roman (voraussichtliche VÖ 2016) wässrig gemacht hat. Bis dahin brauche ich ein dickes Fell, um die Neugierde zu unterdrücken!

Moritz Matthies

Dickes Fell

ISBN: 978-3-651-02228-7

Montag, 6. April 2015

Nicht nur der Krug zerbrach

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Zu Ostern habe ich mir selbst etwas geschenkt. Eine Theaterkarte. Ich gebe offen zu, dass ich ein neues Hobby gefunden habe. Wäre ich ein Teenager, ich glaubte gar, ich hätte eine neue Schwärmerei. Heute, NACH dem Germanistikstudium, gehe ich öfter ins Theater, als es mir zu Studienzeiten jemals eingefallen wäre. Dieses Mal auf meinem Spielplan: Heinrich von Kleist: "Der zerbrochne Krug". 
Mich verbindet mit Kleist eine seltsame Zuneigung, obgleich ich nur wenige Stücke von ihm kenne (und noch wenigere schätze [hier aber vor allem "Das Erdbeben in Chilli"]). Mir ist der Autor zu "kriegerisch". Eine Ausstellung im Jahr 2011, ich weilte zufällig in Berlin, ließ mich nicht los, sodass ich mich quer durch die Stadt aufmachte (zu Fuß und bei wirklich sommerlichen Temperaturen), sie zu besuchen. Ich habe es nicht bereut! Jetzt nähre ich mich Kleist einige Jahre später also noch einmal an, nicht direkt zu Fuß. Aber, ich bin ein gut-vorbereiteter Thetaergänger. Ich lese die Stücke vorher (okay, ich gebe zu, ich kann eigentlich auch wieder einmal nicht aus meiner Germanistenhaut). Und daher war ich dieses Mal richtig gespannt, denn das Lustspiel von Kleist hat es durchaus in sich. So auch die Inszenierung im Mannheimer Nationaltheater. Gewagt darf man sie durchaus nennen, ungewöhnlich, ironisch, temporeich und witzig; klug inszeniert, bis ins kleinste Detail - wobei gerade diese fehlen. 
Die Bühne ist ein einziger Block, vor den Zuschauern, sozusagen hinter der Bühne, gibt es noch einmal Zuschauerreihen. Das Stück ist sozusagen interaktiv. Das Publikum wird - ob es will oder nicht - miteinbezogen. Mir gefällt das, einige Zuschauer sind aber sichtlich erschrocken darüber. Gewohnt temporeich erzählt Kleist in diesem Lustspiel gleich auf mehreren Ebenen vom Zerbrechen. Da zerbricht  ein Objekt, der Krug der Marthe Rull (Anke Schubert), ein unwiderbringliches Familienerbstück mit geschichtlichem Hintergrund. Kleinbürgerlich, wie sie ist, trägt sie den Fall zu Gericht. Dort regiert Dorfrichter Adam (mein absoluter Favorit im Ensemble: Klaus Rodewald). Und er regiert, nun, sagen wir einmal willkürlich, lasterhaft, lügenreich - eben auf seine eigene Art (dennoch irgendwie sympathisch, auweh!). Adam hat an diesem Gerichtstag jedoch einen Fall getan, angeblich aus dem Bett, doch bald weiß man es besser. So liegt er verletzt am Boden, als Schreiber Licht (beflissen: Sven Prietz) ihn am Morgen weckt. Gerichtsrat Walter (eher Börsianer und zu viel Gutmensch: Martin Aselmann) ist auf dem Weg (verzögert, denn die Deichsel brach!), die Huisumer Rechtssprechung unter die Lupe zu nehmen. 
DSC_0007 (1)So kommt es also zur Verhandlung des Falls des zerbrochenen Kruges in seinem Beisein (jedoch ohne das Beisein der richterlichen Perücke, die selbst die sexy Mägde (lüstern: Almut Henkel und Michaela Klamminger) nicht aufzutreiben wissen. Marthe beschuldigt den Verlobten ihrer Tochter, Bauernsohn Rupprecht Tümpel (Matthias Thömmes), den Krug zerbrochen zu haben. Wird er doch zum Militär eingezogen, so denkt sich die wachsame Mutter, sei der Krug durch Lust entzwei gegangen. Eve (Katharina Hauter), die einzige Zeugin vor Gericht, die Wahrheit sprechen könnte, schweigt zum Teil. Ob aus Verzweiflung oder aus Trotz, aus Angst oder aus Liebe. Nur am Ende, fast wie in einem Monolog, lässt Kleist sie zu Wort kommen [weil das Stück sonst ohne Erklärung bliebe], ob sie die Wahrheit spricht, bleibt offen. Gelyncht wird nach dem Krug aber noch einer, Dorfrichter Adam, gegen den letztlich alles sprach. Den Kopf bekommt er nicht mehr aus der Schlinge - und irgendwie tut es dem Zuschauer fast leid, um den Schwerenöter, der doch eigentlich nur eines wollte: Glücklich sein.
DSC_0008Fast wie wahnsinnig hat Kleist in diesem Stück mit "telling names" gearbeitet, den Sündenfall vor Gericht gebracht und allen Zuschauern/Lesern den Spiegel vorgehalten: Alles ist gelogen, wer glaubt, die Wahrheit erkannt zu haben, muss weiterhin erkennen, dass sie vielleicht nur individuell existieren kann. Und weiter belehrt er uns über den Lauf der Welt: Zerbricht vermeintlich Unwichtiges, so kann ALLES aus den Fugen geraten. 
Ein Lustspiel, das Gegenstand einer Hausarbeit kaum besser geeignet sein könnte. Eine Inszenierung/Wiederaufnahme am NTM, derer ich nur zu gerne beigewohnt habe.