Donnerstag, 28. Januar 2010

Der lila Schuhkarton

Ich lebe in einem lila Schuhkarton. Er ist komfortabel eingerichtet, ausgeschlagen mit Stoff, der von vielen kleinen Blümchen geziert wird. Es sind helle und freundliche Farben, und wenn die Sonne hinein fällt, fühle ich mich wie auf einer überdimensionalen Blumenwiese. Ab und zu drehe ich mich immer schneller und schneller im Kreis, dann fühle ich mich, als ob es Blumen auf mich regnet. Es ist so ein schönes Gefühl. Ich fühle mich dabei fest glücklich. Glück selbst habe ich schon lange nicht mehr empfunden. Zum letzten Mal vor meinem Einzug. Ich glaube, das ist Jahre her. Einige bezeichnen meinen Umzug als Rückzug. Das stimmt in gewisser Weise, denn es war ein Rückzug von Sorgen und Problemen. In einer Welt, in der ich mich nicht zu Recht gefunden habe, konnte ich nicht existieren.
[...]

Über meine Geschichten ...

Die Figuren der Geschichten wohnen nebenan. Sie sind vertraute Gesichter, einfache Menschen, denen es in der Seele weh tut, wenn sie an das Leben denken, das sie führen. Sie stehen vor menschlichen Abgründen und handeln übermannt von unerfüllbaren und unstillbaren Sehnsüchten. Diese Personen stecken in uns allen, nur lassen wir sie selten an die Oberfläche treten.

Sie sind zerfressen von Selbstzweifeln, oder einsam unter Menschen. Es sind ganz normale Menschen, die sich in Extremsituationen wieder finden und darauf (mitunter) extrem reagieren. Sie lernen Liebe kennen, Wahn und Verzweiflung; kurz gesagt: sie leben. Man reagiert auf das Leben gar mit Terror wie Sprachverlust, Abschottung von der Welt, Fortgehen und anderem, teils unbewusstem, Handeln.

Es sind Geschichten von Menschen, die am Leben scheitern. Sie werden verfolgt von Etwas, das sie keinen Frieden schließen lässt. Sie sind keine unnützen Existenzen, sondern können ihre Existenz nicht nutzen. Sie schaffen sich eigene Welten, die nicht haltbar sind; sie geben (sich) auf oder geben auf, was ihnen wichtig ist, um es nicht zu zerstören und richten dabei alles zugrunde.
Es sind (poetische) Geschichten von Entscheidungen, von Hoffnung, von Verfehlung, von Liebe und Glück, von Traurigkeit und Träumen; von Menschen, an denen wir täglich vorbei gehen, ohne ihre Abgründe zu schauen.

Marissa Conrady