Samstag, 23. April 2011

Gastrezension bei bibliophilin - Die Geliebte


Danke, liebe Bibliophilin, dass ich immer wieder zu Gast sein darf!






Die Geschichte einer Frau, die liebte.




Ina Weisse, so lässt sich denken, ist eine Frau, die viele Kartons besitzt mit Erinnerungsstücken. Oder, sie hatte diese Kartons einmal und hat in einem Moment aus irgendwelchen Gründen alles weggeworfen. Aus diesem Sammelsurium an Erinnerungen, Erkenntnissen und Memorabilien – ob behalten oder nicht – ist letztlich das Buch „Die Geliebte“ entstanden. Ein autobiografischer Roman, der ans Herz und unter die Haut geht. Gleich zu Beginn lässt die Autorin ihre Leser wissen: „Ich bin die Geliebte eines verheirateten Mannes“. Sie berichtet dann sehr offen über die Phasen des Kennenlernens, des Zusammenseins – soweit dies eben möglich war, von zahlreichen Trennungen, und allem, was dazu gehört. Dabei spart die Autorin aber keineswegs mit den Beschreibungen ihrer eigenen Emotionalität, sodass gleich klar ist: Diese Geschichte kann nicht fiktiv sein. Und das ist das eigentlich erschreckende daran, dass das Leben solche Geschichten schreibt. „Von einem Moment auf den anderen habe er geglaubt, nicht mehr ohne mich sein zu können. Ich erkannte darin mein eigenes Empfinden wieder. Das war die Urszene, die Ouvertüre zu unserem Sündenfall“.

Der Leser will bei der Lektüre weinen, lachen, den Kopf schütteln, Ina Weisse schütteln, oder alle Beteiligten; eigentlich ist das Hollywoodfilmstoff in Buchform. Es ist eine tragische Geschichte, fast mythisch. Sie bricht mit Gewalt über den Leser herein, aber so ist es wohl auch Ina Weisse in der Realität ergangen. In ihrer Geschichte lässt sich erahnen, dass es doch so etwas wie Schicksal geben könnte. „Wäre ich früher gekommen, hätte er mich vielleicht gar nicht bemerkt. Wäre ich später gekommen, hätten wir uns verfehlt. Es war uns bestimmt, einander zu begegnen“.

Ina Weisses Buch hat bereits die Titelseite der „Stern“-Ausgabe vom 16.12.2010 geziert. „Die Geliebte. Eine Frau erzählt über ihr Leben an der Seite eines verheirateten Mannes“. Fast ließe sich annehmen, es wird als Enthüllungsbuch oder Skandal betrachtet. Das ist es aber nicht, so brisant das Thema auch sein mag. Es ist viel mehr als das – eine Geschichte vom schönsten Gefühl der Welt – die Geschichte einer Frau, die es gewagt hat, zu lieben. „Man merkt sofort, was alles in dem Begriff „Ge-lieb-te“ steckt. Vor allem das große und herrliche Wort „Liebe““.

Dennoch kommt der Leser nie ganz hinter das Geheimnis der Beziehung, so offen Ina Weisse auch erzählt. Vielleicht ist sie selbst nie dahinter gekommen, vielleicht sind Beziehungen nicht zu enträtseln. Das Buch jedenfalls wirkt nach. Und offenbar noch immer dauert die Liebe an. Es ist im Grunde eine schöne Botschaft, die da vermittelt wird: Es kann Liebe geben, und anders als bei Theodor W. Adorno kann das „Phänomen des Besetztseins“ in einigen Fällen wohl sogar umgangen werden. In Ina Weisses Fall ist aus der Beziehung ja sogar ein Sohn hervor gegangen. „Ich wollte viel, und ich habe noch mehr bekommen“.

Weisses Sprache changiert, wie die Höhen und die Tiefen der Beziehung selbst, und verliert dabei dennoch nicht an Leichtfüßigkeit. Schnell ist klar: Diese Frau weiß, wie sie sich ausdrücken muss. Dabei meidet sie nicht die Offenheit, verstellt sich nicht. Was stellenweise wie Arroganz klingt, ist wahrscheinlich nur der letzte Versuch sich nicht vollends verwundbar zu machen, mehr kann Ina Weisse nicht tun. Sie bittet nicht um Verständnis oder Zustimmung, obgleich sie auch ganz klar ihre Position vertritt und die Macht einer Geliebten nicht verhehlt, hat sie dennoch vielmehr einfach ihre Geschichte erzählt, und das auf eine Art, dass der Leser sich fast schämen muss, so lüstig zu folgen, wie er es tut. Es ist mutig, so offen und schonungslos über ein Tabuthema zu sprechen, aber es ist fast noch mutiger von der Liebe zu erzählen; denn das haben sie ja: Sich geliebt. Vielleicht kann es für einige Menschen nur die Existenz als „Triade“ geben. „Es ist Schicksal, dass es uns beide gibt. Das Leben ist nicht gerecht“. Diese Erkenntnis hat dann sicherlich in Weisses Karton gelegen. Sich anzumaßen, darüber zu urteilen, sollte niemand, außer den Beteiligten selbst. Sie haben diesen Weg gewählt, Ina Weisse hat die Leserschaft daran teilhaben lassen. Erkenntnisse oder Nicht-Erkenntnisse muss jeder für sich selbst mitnehmen. Vielleicht hat sie aber auch nur eine ganz persönliche Erinnerung in Worte fassen müssen, das ist bei dieser Liebesgeschichte nur allzu verständlich. „Wir alle benötigen Zeugen für unser Dasein, denn ohne dass jemand unserem Leben beiwohnt, scheinen wir nicht zu existieren“. Ina Weisse hat sich einen solchen Zeugen in Buchform geschaffen, denn „die Tragik der verbotenen Liebe ist von daher, dass sie ohne Zuschauer bleiben muss“. Im Schreiben immerhin hat die Autorin sich nicht nur erinnert, sondern ihrer Liebe endlich einen Status geben können, den diese in der Gesellschaft niemals haben würde. Solche Kartons voll mit Krimskram, der anderen nichts sagt und nichts bedeutet, sind ebenfalls Zeugen. Aus vielen Gründen, aus eigenen Erkenntnissen, wird Ina Weisses Buch in meinem Karton der Bücher landen, die es wert sind, ein zweites und drittes Mal gelesen zu werden, die ich aufbewahren möchte.

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