Mittwoch, 20. Juli 2011

John Burnside: Lügen über meinen Vater - Gastrezension bei Bibliophilin.de

Ich habe es schon wieder getan. Ich war bei bibliophilin.de zu Gast (und ich werde es wieder sein...)!
http://www.bibliophilin.de/?p=7470

John Burnside: Lügen über meinen Vater

Bereits im Vorwort drängt sich ein unangenehmer Gedanke auf: Hier will jemand mit dem eigenen Vater, einem verkorksten Leben und überhaupt mit allem und jedem abrechnen. Der Ton klingt aggressiv. „Dieses Buch liest man am besten als ein Werk der Fiktion. Wäre mein Vater hier, um mit mir darüber zu reden, gäbe er mir bestimmt recht, wenn ich sagte, es sei ebenso wahr zu behaupten, dass ich nie einen Vater, wie dass er nie einen Sohn hatte", schreibt John Burnside da gleich zu Beginn; es ist quasi sein Vorwort. Dann aber folgen Zitate, eines davon von Edgar Allen Poe und irgendwie wird klar, dass hier doch keine Abrechnung stattfinden wird, oder wenn, dann auf andere – tiefgründige – Art. Burnside packt den Leser am Anfang mit einer sehr poetischen Art über den Halloween und dessen Bedeutung zu – sinnieren- möchte man fast sagen. Darüber kommt Burnside schließlich auf seine eigene Geschichte zu sprechen und auf die „Lügen“ über seinen Vater, die er einem Anhalter namens Mike erzählt. Dass er diese Geschichte einem Fremden erzählt, hat man gleich vergessen. Denn langsam, dann aber mit zunehmender Geschwindigkeit, zieht Burnside den Leser mit hinab in die Abgründe seiner Kindheit. Er erzählt fast beängstigend von seinem trinkenden Vater, den Gewaltakten und dem Zerbrechen seiner Mutter. Das alles ist eine langwierige Geschichte, die eigentlich nach 200 Seiten erschöpfend erzählt wäre. irgendwie schafft Burnside es aber, dass man noch einmal gut 200 Seiten länger mit ihm bzw. seinem jungen Alter Ego leidet. Und das ist es dann, was am Ende bleibt: Das Leiden. Alle Geschichten, die der Autor über seine Kindheit, seine Eltern und insbesondere über seinen Vater erzählt hat, verschwimmen zu einer einzigen großen Erzählung – einer Erzählung vom Leiden.

Burnsides Buch ist packend geschrieben. Er erzählt spannend und hat ein abgedroschenes Thema noch einmal anders angepackt, als man zunächst vermuten sollte. Dennoch, zum Lesen seines Romanes braucht man Zeit. Denn das Buch umfasst nicht nur gute 400 Seiten, sondern ist aufgrund von Burnsides durchaus als poetisch zu bezeichnenden Umschreibungen nicht einfach nur mal „zwischendurch“ lesbar. Außerdem schockiert es – auf seine Art. Es ist anstrengend, selbst nur als Leser, die Eskapaden des Vaters zu ertragen, die Mutter leiden zu sehen, Angst um die Kinder zu haben - kurz, es ist, als ob Burnside einen Abgrund aufgetan hat, den unsere eigene Kindheit glücklicherweise umgehen konnte. Und daher hat man als Leser fast ein schlechtes Gewissen. Weil Burnside und seine Schwester, sowie die Mutter, so schrecklich leiden mussten. Weil die Welt allem Anschein nach doch ein schlechter Ort ist.

Einige Tage nach der Lektüre erscheint es dem Leser aber im Grunde fraglich, was denn nun eigentlich die Lügen über Burnsides Vater gewesen sind – was war die Wahrheit, was Fiktion; was aber die Abrechnung? Immerhin hat John Burnside schonungslos offenbart, wie er selbst als Kind und Jugendlicher immer weiter abrutschte, in dem Grad, in dem es seine Familie tat. Letztlich kommt man als Leser also auf den Nenner mit sich selbst, der Schlechtigkeit der Welt und dem Roman, dass es nur der Versuch einer objektiven Darstellung eines subjektiven Er-LEBENs gewesen ist, was das schlechte Gewissen wiederum ein wenig beruhigt.

1 Kommentar:

  1. hmmm.. das klingt interessant. aber düster, so wie ich ihn in seinen beiden anderen büchern, die ich bis jetzt gelesen habe (vor allem "Glister") auch erlebt habe.... danke für die besprechung!

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