Donnerstag, 12. November 2015

Das Buch der Bücher

dbdvdBekanntlich weine ich ja ziemlich oft beim Lesen. Auch danach dann noch. Und oft verfolgen mich (gute) Bücher. So soll es ja auch sein, von schönen Dingen lässt man sich gerne verfolgen. Als meine Chefin mir "Das Buch der verlorenen Dinge" als Geschenk auf den Schreibtisch legte, ahnte ich nicht, wie sehr mich dieser Roman verfolgen, wie sehr ich weinen würde. Dieses Jahr mit Abstand mein Highlight im Bücherregal ist das Buch der Bücher von John Connolly!
Besonders hat mir gefallen, wie aus allen Seiten der Geschichte die Liebe zu Büchern, zu Worten und zum Erzählen sprachen. Denn der kleine Protagonist David liebt Bücher. Dank seiner Mutter weiß er sie sehr zu schätzen. Doch der Tod seiner geliebten Mama verändert alles. Davids Vater heiratet erneut, ein kleiner Bruder wird geboren und David lebt im Haus der Familie seiner Stiefmutter. Das Einzige, das er noch hat, sind die Bücher in seinem Zimmer, die er sprechen hören kann. Eines Tages sieht er den Krummen Mann im Haus umhergehen und schließlich hält David es nicht mehr aus: Er folgt der Stimme seiner Mutter in den Garten und hinein in ein Loch in einem Baum - und gerät in eine märchenhafte Welt. Allerdings entpuppt sich diese Welt schnell als eine böse Märchenwelt, in der nichts so ist, wie man es aus den Erzählungen kennt. David erfährt, um zurück zu gelangen ins seine Welt, muss er dieses Land durchqueren und den König finden. Denn der König ist im Besitz des Buches der verlorenen Dinge, in dem stehen soll, wie David nach Hause finden kann.
Also macht David sich auf den Weg und muss mehr als einmal ums Überleben kämpfen. Das Schöne am Roman ist, dass er nicht mit einem Happy End belanglos endet, sondern den Leser auch wissen lässt, was aus allen handelnden Personen geworden ist.
Mit Abstand mein Lieblingsbuch des Jahres 2015!

Das Buch der verlorenen Dinge, Ullstein

Mittwoch, 11. November 2015

Der Mensch Faber

Walter Faber ist Techniker mit Leib und Seele, wobei er an die Seele nicht so recht glauben mag. Wie gesagt, er ist Techniker. Aber auch in seiner Brust wohnt mehr als ein Walter Faber, nämlich der Mensch, der Vater, der Mann und eventuell einer, der lieben kann. Daher verwundert es nicht, dass im Nationaltheater Mannheim gleich vier Walter Faber auf der Bühne stehen. 

»Ich glaube nicht an Fügung und Schicksal, als Techniker bin ich gewohnt mit den Formeln der Wahrscheinlichkeit zu rechnen. Wieso Fügung?« (Walter Faber)

Ein wenig verwirrend ist das teilweise schon, wenn  Michael Fuchs (mit vollem  Körpereinsatz der sympathischste Faber, wenn auch ein bisschen weniger Nacktheit nicht schlecht gewesen wäre), Jacques Malan (vielleicht der beste "alternde" Faber, Boris Koneczny (mit Abstand der emotionalste Faber) und der wunderbare Reinhard Mahlberg mit der unverwechselbaren Stimme. Er ist der  überzeugendste, glatteste Faber, dennoch gleichen sich alle vier zu sehr, um sich drastisch abheben und einen Charakter Fabers hervorheben zu können; alle auch Nebenfiguren Herbert, Williams, ein Kellner und der Jugendfreund Joachim.

DSC_0004Wunderbar lasziv, Almut Henkel, mal als Fabers Freundin Ivy, dann tough als allein erziehende Mutter von der gemeinsamen Tochter mit Faber, Hanna. Ein wenig zu aufsässig, zu wenig verletzlich, Carmen Witt als Sabeth, die das alles aber wieder durch ihren Charme und ihre wunderschöne Singstimme wieder ausgleicht. 

"Ich hatte ganz vergessen, dass jemand so jung sein kann" (Walter Faber)

Der Schwerpunkt des Stückes nach dem Roman von Max Frisch liegt in Mannheim ganz klar nicht auf der verbotenen Liebesbeziehung zwischen Vater und Tochter, sondern vielmehr auf der Person Walter Faber. Sympathischer wird er dadurch nicht, auch verliert Sam Shepards Verkörperung in der Verfilmung von 1991 nicht an Anziehungskraft. Ganz schafft es das Stück nicht an diese Verfilmung heran, irgendwie fehlen die Gänsehautmomente und dennoch hat es gefallen. Vergleiche sind hier ohnehin nicht angebracht, eine Entscheidung zwischen den beiden unmöglich. Immer wieder will ich danach das alte Schulbuch aus dem Regal nehmen und wieder eintauchen in die kalte, tragische Welt des Menschen Faber.

http://www.nationaltheater-mannheim.de/de/schauspiel/stueck_details.php?SID=1961