Montag, 6. Juni 2011

Gastrezension: Aono Soh- Mutter wo bist Du


Wie immer danke, dass ich zu Gast sein durfte!


Auf der Suche nach der eigenen Identität

Aono Soh schreibt über das, was in der üblichen japanischen Zurückhaltung doch ungewöhnlich ist: Über Gefühle und die Familie; das Privateste im Leben eines Japaners. Für ihn ist es Aufarbeitung, für –vor allem westliche Leser- ein Zeugnis japanischer Gefühlswelt. Aber der Roman ist schwierig zu lesen. Denn Aono Soh ist gleich in den ersten zwanzig Seiten an dem Punkt angelangt, an dem der Leser weiß, was die Thematik ist: Die zu früh verstorbene Mutter, die er nie gekannt hat und an die er keinerlei Erinnerungen besitzt. Dazu noch die eigene Beziehung, eine problematische Vater-Sohn-Geschichte – letztlich eine Art Selbstfindung. Die muss der Leser dann mitmachen, bis zum Ende auf Seite auf Seite 200. Zum Glück liest sich der Roman doch recht flüssig, wenn man einmal hinein gekommen ist, sonst wäre es eine Qual, dem Autor auf diesem Erinnerungs- und Selbstfindungstrip zu folgen.

Ungeahnt brisant wird der Roman, wenn Aono Soh sich über die Gefährlichkeit von Atomkraftwerken in Japan auslässt. Er benennt auch den Katastrophenort Fukushima, wenige Jahre seiner Zeit voraus, wie wir im Jahre 2011 wissen. Ein wenig erinnert der japanische Roman den deutschen Schriftsteller Hans-Ulrich Treichel und seinen Roman „Der Verlorene“, zumindest was die Erzähltechnik betrifft. Beide konstruieren sich eine Vergangenheit und damit eine eigene Identität über das Schreiben. Wer die Geschichte Treichels gerne gelesen hat (dies kann an dieser Stelle nur empfohlen werden!), dem wird auch „Mutter wo bist Du“ auf eine unerklärliche Art gefallen.

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