
Gabriele Wohmann ist eine der
wenigen Autorinnen, die ich kenne, die es immer wieder schafft, Verlockungen zu
erzeugen. In ihren schönsten Erzählungen, die sie zusammen mit Georg Magirius
in „Eine souveräne Frau“ veröffentlicht hat, ist dies wieder der Fall. Auf dem
Schutzumschlag des Covers, das einen zerbrochenen, aber gekitteten
Porzelannteller und eine Gabel zeigt, heißt es: „
Würden alle Figuren plötzlich lebendig werden, die in Gabriele Wohmanns
unzähligen Erzählungen vorkommen, könnte man wohl eine Kleinstadt mit ihnen
bevölkern“. Beim Lesen der ersten Geschichte kommt sie dann, die
Verlockung. In dieser Kleinstadt würde man gerne leben und all diese Figuren
kennen lernen. Aber der Schein trügt. Schon Gabel und Porzellanteller lassen
tief blicken. Geworfen, von einer souveränen Frau, ging der kostbare Teller
entzwei, ist anzunehmen, aber souverän, wie sie nun einmal ist, hat sie das
gute Stück gekittet, wie sie vielleicht ebenso ihr eigenen Leben hinwirft und
dann wieder kittet.


81 Jahre wird Gabriele Wohmann
diesen Mai. Sie kann wahrlich auf die Welt blicken, aber sie muss dabei nicht
zurück blicken, schon gar nicht wehmütig. Sie ist und bleibt eine Beobachterin
ihrer Zeit, ihrer Umgebung, des Lebens schlechthin. Und das macht ihre
Erzählungen so spannend. Zusammen mit Georg Magirius hat sie in „Eine souveräne
Frau“ angeknüpft an dem, was der geneigte Leser „gewohnt“ ist. Fast ein bisschen wie in „
Twin Peaks“ ist auch hier alles Idyll
trügerisch. Da ist die Familie, die den Hund vergöttert, aber die Kinder streng
diszipliniert und schlägt.
Die Frau, die sich an ein altes und gut gehütetes Geheimnis erinnert, das mit
Weihnachten zu tun hat, aber auch mit Liebe und Mord
.
Ich glaube, ich kann sagen, dass es vor allem diese zuletzt genannte Geschichte
ist, die mich besonders beeindruckt und gefesselt hat. Auch lange nach dem
Lesen klang sie nicht nach. Deshalb hat diese Rezension auch so lange
gebraucht, um fertig zu werden. Alle Geschichten hingen mir lange noch im
Nacken und manchmal überkam mich, ganz unverhältnismäßig und aus dem Nichts ein
Schauern. Ein Schauern, das erst einmal verarbeitet werden musste, ehe ich die
nächste Geschichte im Buch beginnen konnte. Extralesetipp: „
Ich hab doch ganz andere Sorgen“
– eine Geschichte, bei der wir beliebig
die Namen der Menschen einsetzen könnten, die um uns herum sind – plus unseren
eigenen für den des Protagonisten. (Diese Geschichte ist eine der zwei bisher
unveröffentlichten. Alle anderen sind eine Sammlung aus fünf Jahrzenten des
Schreibens.)

Und jetzt weiß ich, was dieses
Schauern bedeutet. Es zeigt: Ich möchte nicht wirklich in dieser Stadt leben,
die Gabriele Wohmann vor meinem
geistigen Auge entstehen ließ. Ich bin
nachdenklich geworden. Nein, ich möchte nicht dort sein, aber ich bin es. Denn
ihre Beobachtungen, sind feine Spitzen auf das, was mich tatsächlich täglich
umgibt. Hier wie im Roman gibt es das Welttheater, „allerdings eines, bei dem hinter den banalen
Verrichtungen und Problemen die Bruchlinien der Existenz ausgeleuchtet werden. Wer
weiß, was hinter den Fenster vor sich geht, in denen ich mich spiegele, wenn
ich durch meine Nachbarschaft gehe. Wenn ich das wüsste, wollte ich auch dort
sicher nicht mehr leben.
An dieser Stelle möchte ich mich noch einmal
herzlich bedanken bei Georg Magirius für die Zusendung des Romans, die nette Karte
und die Widmung von Frau Wohmann und dafür, dass Ihnen meine Meinung so wichtig
war!
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