Vor einigen Tagen war ich unterwegs einen Zeitungsartikel zu schreiben. Am Ende der Veranstaltung sang der ganze Saal den irischen Segenswunsch „Möge die Straße uns zusammenführen". Ich habe nicht gesungen. Schon als ich den Handzettel mit den Textzeilen auf dem Tisch flüchtig mit den Augen gestreift hatte, wusste ich, ich würde nicht mitsingen können. Sofort hatten mich die ersten Zeilen zurück versetzt in eine Zeit vor neun Jahren.
Damals war ich Abiturientin - jetzt bin ich Doktorandin. Zwischenzeitlich habe ich das Abitur erworben sowie zwei Universitätsabschlüsse. Verloren habe ich viel mehr. Damals, als ich das Lied noch unbekümmert mitgesungen habe, war ich auf Abschlussfahrt mit meinem Abiturjahrgang. Der Deutsch- und der Katholische Religions-Leistungskurs waren zusammen nach Rom gefahren. Seither ist Rom immer ein Sehnsuchtsort für mich geblieben. Hier war ich zum letzten Mal mit allen meinen Freunden unbekümmert zusammen, wir waren fröhlich, ausgelassen und verirrten uns zusammen in der ewigen Stadt. Wir haben geglaubt, so würde es immer weiter gehen. Wir - unsere Freundschaft - wäre ewig. Wir haben, mit der Naivität von Kindern, fest daran geglaubt, was wir da sangen. Unsere Straßen würden uns ganz sicher wieder zusammen führen.
Wie dumm wir alle gewesen sind. Gleich nach dem Abitur brach der Kontakt zu meinem damaligen besten Freund ab. Ich weiß, selbst wenn er dies hier liest und ein schlechtes Gewissen bekommen sollte, er würde sich nicht bei mir melden. Die Zeit der Illusionen ist vorbei. Dazu kenne ich meine Pappenheimer von früher zu gut.
Wir, die Übrigen, klammerten uns aneinander, überstanden Zeiten im Ausland, Studienabbrüche, Berufsbeginn und Sinnkrisen gemeinsam, immer noch sicher: Unsere Straße wird sich vielleicht einmal gabeln, aber sicherlich führen sie eines Tages wieder zusammen. Im Licht dieses Glaubens lebten wir lange Zeit glücklich und zufrieden, mal mehr, mal weniger natürlich. Wir alle haben damals Münzen in den Trevi-Brunnen geworfen, weil wir wieder kommen wollten.
Und weil wir so geblendet waren davon, haben wir am Ende das verloren, was wir so sicher zu haben glaubten. Heute macht mich das Lied traurig. Die Erinnerung an damals ist festgehalten in Fotos, kleinen Videos und in Souvenirs. Als einziges schreiben mir heute noch mein Deutschlehrer und der Lehrer des Religions-Leistungskurses, der einmal mein Ethik- und Geschichtslehrer war... Deshalb habe ich nicht mitgesungen und werde auch nie wieder mitsingen - weil ich den Glauben an das Lied verloren habe. Bevor ich heute mit dem Lied konfrontiert worden bin, habe ich lange nicht mehr an eines gedacht. An ein Lied, das Damals heißt:
Ins Wasser fällt ein Cent, ganz heimlich still und leise. Ein jeder Rom jetzt kennt, nun sind wir alle weise. Wir kommen einmal wieder, in diese schöne Stadt, dann sind wir froh, 's sind alle do, ein jeder Freude hat...
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